Also, ich glaube, dieses Spannungsfeld zwischen Mut und Demut ist tatsächlich ein ganz wichtiger Aspekt. Mutig in der Art und Weise zu sagen, ich bringe hier auch was ein, ich bringe hier vielleicht etwas Neues ein, was vielleicht noch nicht etabliert ist, weil ich halt aus einer
anderen Generation komme, weil ich mit einer anderen Art des Zusammenarbeitens komme. Da den Mut einzubringen, das Neue zu wagen, auch mit dem Risiko, dass es durch das System momentan vielleicht nicht sofort aufgenommen wird.
Es stellt sich die Frage, was ist der Mehrwert der jungen Leute, der jungen Führungskräfte? Es ist nicht die 20-jährige Erfahrung. Sie können nicht punkten mit ganz komplexen Sachverhalten, die man mit sehr viel Fingerspitzengefühl und mit sehr viel Erfahrung managt.
Aber was sie einbringen können, ist die Frische, dieses Neue, eine neue Art, auf Menschen zuzugehen, eine neue Art der Zusammenarbeit zu leben. Eine neue Art des kollaborativen Zusammenarbeitens. Das machen Young Professionals nämlich sehr, sehr gut. Da können die alten Führungskräfte sich noch eine Scheibe abschneiden.
Also die Dinge mutig voranzubringen, aber dabei trotzdem Demut zu haben, wie du auch gesagt hast, Annabelle. Wichtig ist aus meiner Sicht zu sagen, ich hab hier auch noch was zu lernen, ich darf nicht in die Hybris verfallen zu sagen, ja, ich weiß schon, wie es läuft. Und ich muss mir auch anschauen, wie machen es die älteren Führungskräfte? Wie schaut die Organisation aus? Wie wächst die Organisation, was sind Themen, die da eine Rolle spielen? Wie schaut die Organisationskultur aus? Wie kann ich mich da bewegen? Und was muss ich noch lernen? Das bedeutet auch zu lernen, in der Organisationskultur und ‑struktur zu agieren und wirksam zu sein. Und natürlich ohne dass mich das System einfach wieder ausspuckt. Zum Beispiel, weil ich irgendwie inkompatibel mit dem Team bin. Dann spuckt mich das System wieder aus. Dann passe ich nicht dazu.
Für dieses Lernen braucht es auch eine gewisse Demut, um diese Balance zu finden. Das ist, glaube ich, für Young Professionals, gerade im Führungsbereich, besonders entscheidend.
Oft ist es ja so, dass junge Führungskräfte ältere Mitarbeiter führen. Es kommt immer wieder vor, dass Führungskräfte Mitarbeiter:innen im Team haben, die 20 Jahre älter sind. Die sind schon mit allen Wassern gewaschen, und das kann eine sehr schwierige Herausforderung sein.
Ich würde fast dazu tendieren zu sagen, die erste Führungserfahrung, auf Fachebene in die Führungsebene reinzugehen als junger Mensch, ist möglicherweise die schwierigste Einführungsphase überhaupt, die wir haben können, und die hat man dann gleich in jungen Jahren.