Viele Anforderungen von außen zerren an uns: sei es in der Politik, der Welt, dem Beruf oder im privaten Umfeld. Jutta Kreyenberg zeigt ein wirksames Instument, in stürmichen Zeiten in seiner Mitte zu bleiben: "Get On The Mat" (GOTM), das sich aus den Modell "Functional Fluency" als Tool für Aufstellungsarbeit entwickelt hat.
In deiner Mitte – mit dem Tool "Get On The Mat" (GOTM)

Functional Fluency
Das Modell „Functional Fluency“ sowie das psychometrische Instrument „TIFF“ (Temple Index of Functional Fluency) wurden von Susannah Temple entwickelt. „Functional Fluency bedeutet Wirksamkeit des zwischenmenschlichen Funktionierens in Begriffen von Flexibilität und Balance der Verhaltensmodi, die eine Person benutzt“ (Temple 2002, S. 251). Ursprünglich im Bereich der Pädagogik verortet (Temple 2002, 2007), wurde es in vielen Bereichen angewandt, so auch in Coaching, Teamentwicklung und Organisationsentwicklung.
Das Modell „Functional Fluency“ konzentriert sich auf das menschliche Funktionieren im Sinne von Verhaltenstendenzen, -mustern bzw. -gewohnheiten. Es ist insofern abgekoppelt von dem Ich-Zustandsmodell der Transaktionsanalyse.
Neben Einflüssen aus der Transaktionsanalyse wird Functional Fluency auch aus anderen Theorien gespeist (z. B. Persönlichkeitsmodelle von Roger, Hogan, Kelly u.a.). Drei grundlegende und global notwendige Aspekte der menschlichen Existenz bilden die Basis: aufzuwachsen, zu überleben und die nächste Generation großzuziehen. Diese Drei Kategorien des Funktionierens werden bezeichnet als:
- Soziale Verantwortung – bedeutet den Gebrauch von psychischer Energie zugunsten anderer. Hier geht es um Verantwortung nicht nur für Kinder, sondern auch um berufliche Verantwortung, die Führung von Mitarbeitenden, die Beeinflussung anderer, Ausübung von Autorität und gesunde erwachsene Selbstverantwortung.
- Realitätseinschätzung – bedeutet den Gebrauch von psychischer Energie, um auf die Anforderungen des Lebens zu reagieren. Hier geht es darum, auf Draht zu sein, auf das Hier und Jetzt des Lebens zu reagieren und Lösungen für jetzige Situationen zu finden.
- Selbstverwirklichung – bedeutet den Gebrauch von psychischer Energie zur eigenen Weiterentwicklung: Hier geht es darum, erwachsen zu werden, „Ich selbst“ zu werden, um Identitätsfindung und um den echten Selbstausdruck als lebenslanger Prozess.
Diese drei Kategorien werden dann konzeptionell unterteilt in fünf Elemente:
die Kategorie "Soziale Verantwortung" in die Elemente Steuerung/Kontrolle und Fürsorge;
die Kategorie "Selbstverwirklichung" in das sozialisierte und natürliche Selbst;
das Element der "Realitätseinschätzung" bleibt ungeteilt.
Dies führt zur qualitativen Unterscheidung in wirksame Modi, die gutes Funktionieren und unwirksame Modi, die weniger effektive, nämlich getrübte Funktionsweisen beschreiben. Diese qualitativen Ausdruckformen auf der Verhaltensebene werden auf der Ebene sozialer Verantwortung und Selbstverwirklichung mit der Leitfrage „Wie gut?“ reflektiert.
Das Element der Realitätseinschätzung wird „klärender Modus“ oder auch „Accounting“ (im Gegensatz zum „Discounting“) genannt: die Fähigkeit, die Realität in den momentan notwendigen Aspekten zu erfassen. Als eigentlich wertfreie Funktion wird in der Praxis der positive Gebrauch hervorgehoben und in der Art und Weise sowie der Menge des Gebrauchs betrachtet. Hier passt eher die Frage „Wie viel?“.
Die Verhaltensmodi von Functional Fluency
Das Schaubild zeigt die neun Verhaltensmodi von Functional Fluency. In der Verbindung zum strukturellen Modell der Ich-Zustandsanalyse kann man alle neun Modi als Ausdrucksweisen des Erwachsenen-Ichs sehen, wobei die fünf zentralen wirksamen Modi (der strukturierende, nährende, klärende, kooperative und spontane Modus) den „Fünf Optionen“ von Karpman (1971) entsprechen. Sie werden auch die „Fabelhaften 5“ genannt. Die vier unwirksamen Modi (der dominierende, überverwöhnende, überangepasst-widerspenstige und unreife Modus) entsprechen demgegenüber Trübungen, die ihre strukturellen Quellen in fixierten Eltern- oder Kind-Ich-Zuständen haben (siehe auch Kombinationsdiagramm in Temple 2002, 2007).
“Get On The Mat” (GOTM)
Bei diesem Tool handelt es sich um ein interaktives Coaching in einer vertraulichen Kleingruppenumgebung. Das Functional Fluency Modell ist virtuell oder life auf einer Matte abgebildet. GOTM wirkt durch Selbstwahrnehmung und -reflexion, Meditation, Embodiment und systemische Dynamiken. Es ist ein kraftvolles Werkzeug, um tiefe Einblicke in persönliche Dynamiken zu gewinnen und Wege zu einer effektiven Selbstführung zu ebnen.
Hier haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Matte zu betreten und ihre eigenen Themen, ihr Verhalten und ihre Interaktion in bestimmten Situationen zu erkunden und sich auf eine spannende Reise zu begeben. Sie erhalten einen Einblick, wie wirksam sie sich selbst und andere beeinflussen und führen. Der wichtigste Aspekte von Führung ist die Selbstführung – die Fähigkeit, das eigene Denken, die eigenen Gefühle und letztlich das eigene Tun zu steuern.
Der Zweck des GOTM besteht darin, zu verstehen, was auf der Matte passiert, und Daten über eine Situation für den/die Fallgeber:in zu sammeln, um mehr Klarheit zu schaffen, festgefahrene Aspekte im Kontext des Problems zu lösen und Einblicke in das WIE zu geben. Teilnehmende können ihre Energie effektiver nutzen und neue Hinweise für das weitere Vorgehen erarbeiten. Als Teilnehmer:in erhältst du die Möglichkeit, Dinge zu sehen, die du vorher nicht sehen konntest, und dir einen Überblick über konstruktive Lösungsmöglichkeiten zu verschaffen. Du erforschst deine Themen auf der Matte. Wir platzieren Menschen, Familienmitglieder, Kollegen, Gefühle und Emotionen dort und alles, was für die gewünschte Veränderung relevant ist.
Die Methode wirkt aufschlussreich, augenöffnend und unterhaltsam für die Beteiligten. Verschiedene Themen im Innen oder Außen können besprochen werden.
Hier ein zwei Beispiele:
Beispielfall 1: „Imposter-Syndrom“: Ein Teilnehmer erlebt sich sehr kritisch und stellt die inneren Stimmen auf. Fragen nach der Selbstkritik und den inneren Konflikten bieten einen Einblick in ihre inneren Prozesse und zeigen Wege der Versöhnung auf. Es werden systemische Dynamiken erforscht, die emotionale Belastungen beeinflussen. Die Betonung liegt darauf, das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen zu finden und die Tiefe der unbewussten Prozesse zu erkennen, die das emotionale Wohlbefinden beeinflussen.
Beispielfall 2: „Beziehung“: Eine Teilnehmerin möchte die Beziehung zu einem Mitarbeitenden klären. Durch die Mitteilungen der Stellvertreter:innen wird eine Abgrenzungsthematik deutlich.
Nutzen
Das Functional Fluency-Modell ist ein Verhaltensmodell, das dir hilft, dein wirksames und unwirksames Verhalten zu verstehen und wie du unwirksames Verhalten in wirksames umwandeln kannst, um erfolgreicher im Sinne des Ganzen zu sein.
Auf die Matte zu gehen ist DIE Zeit, deine inneren Stimmen zu erforschen und im Hier und Jetzt spielerisch Insights zu gewinnen. Hier kannst du reflektieren:
- Wie verhalte ich mich und wie wirksam ist mein Verhalten?
- Handle oder reagiere ich?
- Ist mein Verhalten für mich von Vorteil?
- Ist es für andere von Vorteil?
- Erreiche ich das, was mir wirklich wichtig ist?
Vorgehen
Nach einer kurzen Erläuterung des Functional Fluency-Modells und der Klärung der Workshop-Spielregeln leitet der/die Moderator:in die Teilnehmenden mithilfe verschiedener Embodiment- oder Meditationsmethoden an, sich ihrer Stimmung, ihres Körpers und der eigenen Verhaltensmodi bewusst zu werden und ihre Mitte zu finden.
Anschließend besteht die Möglichkeit, ein Fallszenario mithilfe der virtuellen Functional Fluency Matte zu erkunden. Wer will, darf ein Thema, einen Fall, eine Fragestellung oder ein Problem einbringen.
Der/die Moderator:in lädt dann die anderen Teilnehmenden als Stellvertreter:in für die verschiedenen Seiten des Themas oder die beteiligten Personen auf die Matte ein. Bei der Tätigkeit als „Repräsentant:in“ geht es nicht um Rollenspiele, Schauspielerei oder Darbietungen – es ist ein einzigartiger Prozess, der Offenheit, Sensibilität und die Bereitschaft erfordert, sich mit den unsichtbaren Kräften auseinanderzusetzen, die im Spiel sind. Sie leitet durch den Prozess durch (systemische) Fragen und bezieht die außen stehenden Teilnehmenden als Resonanzgeber ein.
Zum Schluss verabschieden sich die Beteiligten aus ihren Stellvertreterrollen. Der/de Fallgeber:in kann ihre Schlussfolgerungen bzw. Erkenntnisse nennen oder noch Feedback erhalten.
Wirkungsweisen von GOTM
Meditation, Embodiment und Selbstwahrnehmung: Die Teilnehmenden werden dazu ermutigt, sich auf ihre Körperempfindungen zu konzentrieren und die Frage zu beantworten: "Wie zeige ich mich heute in meinem Körper?" Diese Praxis fördert Bewusstsein, Achtsamkeit und Selbstakzeptanz, die essentiell für eine effektive Selbstführung sind.
Systemische Prinzipien auf der Matte: Ein besonderes Highlight von GOTM ist die Anwendung systemischer Prinzipien auf der Matte. Durch Stellvertreterarbeit werden Dynamiken aufgedeckt, die in der Vergangenheit entstanden sind und das aktuelle Wohlbefinden beeinträchtigen. Gemeinsam mit anderen Teilnehmenden erschließt der/die Fallgeber:in das „Wissensfeld“ – eine Idee, dass eine kollektive Intelligenz (ein Feld aus Information, Energie und Bewusstsein) vorhanden ist, wenn eine Gruppe von Individuen an einer systemischen Konstellation teilnimmt. Die Prinzipien von Zugehörigkeit, Ordnung und Gleichgewicht werden auf eindringliche Weise erlebt und illustrieren, wie tiefe Einsichten durch systemisches Coaching gewonnen werden können.
Fazit
Die Reise des GOTM hebt die Wirksamkeit von Embodiment-Techniken und systemischem Coaching hervor. Die Integration von Meditation, Selbstwahrnehmung und systemischen Prinzipien bietet den Teilnehmenden nicht nur transformative Erlebnisse, sondern auch nachhaltige Werkzeuge für die persönliche Entwicklung. Diese Methoden können bleibende Erkenntnisse hinterlassen und dazu beitragen, effektive Führungsqualitäten zu fördern.
Literaturliste
- Karpman, Steven, Options, Transactional Analysis Journal, 1971, Vol. 1, p. 79 - 87
- Kreyenberg, Jutta, Einsatz des Modells Functional Fluency im Coaching, unveröffentlichtes Manuskript eines Workshops auf dem 28. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Transaktionsanalyse in Stuttgart, 2007
- Temple, Susannah, Functional Fluency, Zeitschrift für Transaktionsanalyse 4/2002, S. 251 - 269
- Temple, Susannah, Das Functional-Fluency-Modell in der Pädagogik, Zeitschrift für Transaktionsanalyse 1/2007, S. 76 – 88
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