Teamentwicklung im agilen Umfeld

„Wir möchten keine klassische Teamentwicklung, denn wir arbeiten auch nicht klassisch.“ Das war der klar formulierte Wunsch des Auftraggebers. Zugleich stellte sich eine Teamentwicklung grundsätzlich als genau die richtige Maßnahme dar – nur eben anders als bisher üblich. Im Folgenden berichtet Petra Frieß, PROFESSIO-Management-Beraterin, wie sie diese Aufgabenstellung im agilen Umfeld zusammen mit ihrem Kunden gemeistert hat. Entstanden ist daraus eine „etwas andere“ Teamentwicklung, die aus klassischen Elementen, der Bearbeitung von aktuellen Projektthemen mit Design Thinking, dem Ausprobieren sowie der Reflexion verschiedener Arbeitstechniken bestand.

Die Ausgangssituation

Im Vorfeld waren ein starkes personelles Wachstum und steigende Anforderungen der Organisation an das Team zu verzeichnen. Eine methodische wie auch kulturelle Weiterentwicklung des Teams war gefragt. Das Team, um das es geht, ist Teil eines weltweit operierenden Konzerns. Es ist speziell dafür zuständig, Turnaround-Projekte im Konzern anzustoßen, zu begleiten und zu steuern. Darüber hinaus agieren Teammitglieder als „strategische Sondereinheiten“, die digitale Geschäftsmodelle entwerfen und umsetzen, teilweise auch als ausgegliedertes Start-up. Das Team ist multidisziplinär aus jungen, bestens ausgebildeten und hoch leistungsfähigen Spezialisten zusammengesetzt. Sie bringen alle einen unterschiedlichen Erfahrungsschatz mit und sind teilweise erst seit wenigen Tagen Teil des Teams. Was das Team bei aller Unterschiedlichkeit der zu bearbeitenden Themen und Projekte eint, ist ein gemeinsames Selbstverständnis und ein gemeinsamer Purpose. Im Jahr zuvor fand bereits eine Teamentwicklung in der Forming-Phase[1] statt. Das Fazit des Teams danach war jedoch „langweilig und inhaltlich war es nicht das, was wir brauchen“.

Die Herangehensweise

So war der klare Maßstab für den Erfolg dieser neuen Teamentwicklung vor allem der Nutzen für das Team. Dieser zeigt sich dann, wenn die Teammitglieder durch bessere Vernetzung stärker in der Lage sind, auf nützliches Spezialistenwissen von Kollegen zurückzugreifen und ihre Skills in Bezug auf agile Arbeitsmethoden abgeglichen und verbessert haben. Wachsen sollte ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl im Team, in dem gegenseitige Unterstützung gelebte Praxis ist. Das Konzept für die zweitägige Veranstaltung entstand ebenfalls in Teamwork zwischen mir als Beraterin und einem Teammitglied, das stellvertretend für das Team aktiv an der Gestaltung mitgearbeitet hat. In iterativen Schleifen wurden die weiteren Teammitglieder sowie die Führungskraft regelmäßig ins Boot genommen und Feedback eingeholt. Damit konnten Ziele geschärft, Ideen und Wünsche aus dem Team aufgegriffen und Arbeitspakete in der Vorbereitung verteilt werden.

In dieser Phase fungierte die Beraterin auch als Klärungshilfe in Bezug auf die Zielsetzung und als Unterstützung für die Auswahl der agilen Frameworks in der Teamentwicklung. Ebenfalls erfüllte Sie  die Rolle der Expertin für die Umsetzung, wie z.B. beim Aufbau einer Storyline und Dramaturgie, bei der methodisch-didaktischen Vorbereitung etc. Der Koordinator aus den Reihen des Teams war verantwortlich für die Rückkopplung mit Führungskraft und Teammitgliedern, das Aufspüren von Bedürfnissen und möglichen Stolpersteinen sowie das Sammeln von Teamchallenge-Ideen aus dem Team.

Entstanden ist daraus eine etwas andere Teamentwicklung, die aus Elementen klassischer Teamentwicklung, der Bearbeitung von aktuellen Projektthemen mit Design Thinking und dem Ausprobieren sowie der Reflexion verschiedener Arbeitstechniken im Rahmen des DT-Prozesses bestand (microtraining sessions). Das Credo war, dass die Teammitglieder in der gemeinsamen Arbeit sowie in gemeinsamen Team-Challenges die Möglichkeit bekommen sollen, sich näher kennenzulernen und auszutauschen sowie Wissen und Erfahrungen zu teilen. Dafür wurde ein Rahmen gesetzt, in dem genau dies möglich wird (z.B. durch Aufgaben in verschiedenen Kleingruppen). Den Teammitgliedern wurden auch während der Veranstaltung Möglichkeiten zur Steuerung eingeräumt. Und auch der Spaß kam nicht zu kurz.

Der Design-Thinking-Prozess als roter Faden

Zum Einstieg wurde das Verständnis von Agilität abgeglichen, um unterschiedlichen Kenntnis- und Wissensständen gerecht zu werden. Mit dem „ball point game"[2] gelang ein interaktiver Einstieg, der agiles Arbeiten in kurzen Sprints und iterativen Prozessen simuliert und Erkenntnisse in den Alltag übertragbar macht. Vor dem Hintergrund der agilen Grundsätze „customer collaboration“ und „responding to change"[3] bildete der Design-Thinking-Prozess den roten Faden für die Bearbeitung von vier Projektthemen aus dem Arbeitsalltag des Teams. In den sechs Phasen des Design-Thinking-Prozesses konnten die Subteams in der Bearbeitung des jeweiligen Projektthemas unterschiedliche Arbeitsmethoden testen. Diszipliniertes und konsequentes „time boxing“ hat den Teams weitestgehende Selbststeuerung beim Arbeiten ermöglicht. Dies hat zu hoher Konzentration auf die jeweiligen Aufgaben und zu schnellem Arbeitsfortschritt beigetragen.

Abb.1: Die sechs Phasen des Design-Thinking-Prozesses ©HPI, School of Design Thinking

Gemäß der drei Kernelemente des Design-Thinking-Prozesses − multidisziplinäre Teams, variabler Raum und iterativer Prozess − wurde darauf geachtet, dass die vier Subteams interdisziplinär zusammengesetzt sind und der jeweilige Stakeholder des Projektthemas in einem anderen Team mitarbeitet.

In jeder Phase des Prozesses standen den Subteams verschiedene Arbeitsmethodiken in einer Toolbox zur Verfügung, die von mir erläutert bzw. zunächst in einer kurzen Trainingssession erprobt wurden. Die Subteams haben dann jeweils eine Methode ausgewählt, angewandt und nach Abschluss des Gesamtprozesses reflektiert. Die Erfahrungswerte und Empfehlungen für den Einsatz im Alltag wurde mit dem gesamten Team geteilt, Fragen beantwortet und eine Dokumentation für den Einsatz im Alltag sichergestellt.

Das Ergebnis

„Es hat Spaß gemacht, mit Euch gemeinsam an den Themen zu arbeiten, querzudenken und uns in den zwei Tagen besser kennenzulernen.“ Diese Äußerung steht stellvertretend für viele ähnlich lautende Meinungen im Team. Spaß, Gemeinschaft, Austausch, Weiterentwicklung und sinnhaftes Tun war den Mitgliedern wichtig, und diese Bedürfnisse haben sich erfüllt. Darüber hinaus hat die Bearbeitung der Projektthemen dafür gesorgt, dass die vier Stakeholder mit ihren Themen einen wesentlichen Schritt vorangekommen sind und Quick Wins mitnehmen konnten. Das Team hat ein gemeinsames Bild zu agilem Arbeiten entwickelt und die unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungsstände wurden auf einem insgesamt höheren Niveau ein Stück weit nivelliert. Eine sorgfältig ausgewählte Abendveranstaltung und Teamchallenge haben darüber hinaus dafür gesorgt, dass mit großem Spaß außerhalb der Bearbeitung von Projektthemen in Form von Skulpturen „Großes erschaffen“ wurde und Erfolge zu feiern waren.

Erfolgsfaktoren für diese Art der Teamentwicklung

  • Die hohe Energie und Leistungsbereitschaft für die gemeinsame Konzeption einer Teamentwicklung zu nutzen, trägt zu Akzeptanz und Gelingen bei, wobei den Interessen der Führungskraft und den Bedürfnissen der Teammitglieder von Anfang an die gleiche Bedeutung geschenkt wurde.
  • Iterative Rückkopplungen in der Konzeption schaffen Sicherheit für die Durchführung und Vorfreude bei allen Beteiligten.
  • Schaffen eines Rahmens für die Teamentwicklung, der den Zielen Rechnung trägt, Anreize zur Weiterentwicklung bietet sowie dem Einzelnen Freiraum für individuelle Gestaltung lässt.
  • Inhaltlicher Mix aus klassischen Elementen der Teamentwicklung, Microtraining Sessions und Bearbeitung konkreter Praxisthemen anhand eines agilen Frameworks.
  • Multidisziplinär arbeitender Berater, der einen sicheren Umgang mit verschiedenen agilen Frameworks und Arbeitsformaten beherrscht, fundierte methodische Kenntnisse in Kommunikation, Kreativitätstechniken und Coaching besitzt sowie in der Lage ist, den Arbeitsprozess achtsam zu begleiten und situativ verschiedene Rollen einzunehmen.

Fazit

Teams, die mit jungen, multidisziplinären Spezialisten überwiegend selbstgesteuert und selbstverantwortlich arbeiten und mit iterativer Arbeitsweise vertraut sind, haben andere Anforderungen an eine Teamentwicklung als „klassische“ Teams. Bereits in der Forming-Phase zeigt sich eine hohe Performance, begünstigt durch Expertenwissen, hohes persönliches Engagement und unkomplizierten Informations- und Wissensaustausch – auch über Unternehmensgrenzen hinweg. Feedback geben und nehmen gehört zu einer Selbstverständlichkeit, Vernetzungsmöglichkeiten werden aktiv gesucht, Expertise wird gefordert und geschätzt. Lernfeld für diese Teams ist es hingegen, auch mal „einen Gang runterschalten“ zu können und Momente der Entschleunigung als Voraussetzung für weitere Hochleistung anzuerkennen. Mit dem Einbauen solcher Momente in die Teamentwicklung unterstützt der Berater dieses Learning. Gleichzeitig ist es für die Aufrechterhaltung der Performance des Teams und die weitere Zusammenarbeit wichtig, eine gemeinsame Basis zu schaffen, auf der die Unterschiedlichkeit und Spezialisierung der Einzelnen Wirkung entfalten kann.

Dazu gehört auch, über eine gewisse Vereinheitlichung von Methoden und Prozessen die Teammitglieder vor einem Abgleiten in ein langfristig schädliches Überengagement zu schützen.


[1] Phasenmodell der Teamentwicklung nach Bruce Tuckman, 1965

[2] siehe Boris Gloger, borisgloger.com/wp-content/.../08/Ball_Point_Game.pdf

[3] siehe agilemanifesto.org

Autor:in

Management-Beraterin und Trainerin

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