Change-Begleitung: Mit Speed und Intuition

Schnelligkeit ist das Gebot der Stunde: neue Märkte erobern, die Konkurrenz überflügeln... Der logische Schluss? Wir müssen uns verändern − schnell, nachhaltig und agil! Methoden und Werkzeuge sind bekannt. Das Weiterbildungsangebot dazu ist groß. Und dann?

In der Praxis zeigt sich häufig, wie zäh das Geschäft der Veränderung in den Teams und Unternehmen dennoch verläuft. Oftmals liegt es daran, dass die Bedeutung der intuitiven und emotionalen Ebene in Transformationsprozessen zu sehr außer Acht gelassen wird. Dirk Walter, PROFESSIO-Trainer und Management-Berater, stellt dar, wie Change-Begleiter:innen diese gekonnt bespielen können.

In den Workshops fallen Sätze wie „Ich hab’ keine Lust, schon wieder Kärtchen zu pinnen…!“ oder „Wir würden es ja gerne anders machen, aber…!“. Was ist die Ursache solcher Reaktionen? Spätestens seit den Veröffentlichungen des Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann[1] wissen wir, dass Menschen über unterschiedliche Arten der Informationsverarbeitung verfügen. Grob vereinfacht über ein System 1, das automatisch und schnell, aber weitgehend ohne willentliche Steuerung funktioniert. Und ein weiteres, System 2, das in der Lage ist, komplexe Rechenoperationen durchzuführen und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Bei Unsicherheit und Stress neigen wir dazu, uns auf System 1 zu verlassen. Werden Menschen in stressigen Veränderungssituationen nur mit rationalen, kognitiven Methoden angesprochen, ist der Misserfolg schon fast vorprogrammiert. Für Change-Begleiter:innen geht es also darum, neben der Methodenkompetenz auch Kompetenzen für den Umgang mit der intuitiven, oft auch gefühlsbetonten Ebene aufzubauen. Wie ein guter Pianist benötigen wir für einen gelingenden Change-Prozess beide Hände: Methoden- und Sozialkompetenz. Oder wie es Jane Austen nennt: Verstand und Gefühl.

Unternehmen sind soziale Gebilde mit dem Zweck, den Aufwand für die Interaktion zwischen allen Beteiligten zu minimieren. Soziale Gebilde zeichnen sich durch Komplexität aus. Sie bestehen aus Beziehungen, Abhängigkeiten und Rückkopplungen. Reaktionen schon auf geringe Reize wie Veränderungen im Arbeitsablauf verlaufen oft anders als geplant, manchmal sogar mit paradoxen Folgen. Auch wenn es aus Sicht des Managements unbefriedigend und frustrierend ist, lassen sich komplexe Systeme nicht per Order von „oben“ ändern. Nur Prozesse zu optimieren und Strukturen anzupassen, führt oft nicht zum gewünschten Erfolg. Das Wesen komplexer Systeme, ihre Eigenarten und Reaktionen zu verstehen, ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg von Change-Projekten. Eines sei an dieser Stelle bereits verraten: Einfache, standardisierte Lösungen mit Komplexität umzugehen gibt es nicht. Regeln und Strategien für eine gezielte Beeinflussung hingegen schon. Eine Grundregel lautet: Nutze Deine Intuition[2] und beobachte das System und sei achtsam auch für subtile Veränderungen. Hier kommen wieder die beiden Ebenen des Denkens ins Spiel. Die kognitive Ebene wird meist ausreichend bedient: Die Zahlen des Controllings sind eindeutig, die Marktanalysen klar. Die Bedeutungsebene − was heißt der Change für mich als Einzelperson, für uns als Abteilung − wird oft nicht angesprochen, ja oft nicht einmal wahrgenommen. Rein kognitiv aufgesetzte Change-Prozesse scheitern an dieser Stelle. Hier ist also von Change-Begleiter:innen Ambidextrie („Beidhändigkeit“), im Sinne der Ansprache und Einbeziehung der Bedeutungsebene sowie methodische bzw. kognitive Kompetenz gefordert.

Ein weiterer Schlüssel für gelingende Change-Projekte liegt in den Personen, die den Change im Unternehmen initiieren und in den Teams verkörpern. Die eigene Haltung von Management und Change-Begleiter:innen zur angestrebten Veränderung teilt sich den Betroffenen unbewusst innerhalb von Sekunden mit. Menschen sind Meister im Erkennen subtiler paraverbaler und nonverbaler Botschaften. Um ein Change-Projekt erfolgreich zu begleiten, sind Zahlen, Daten und Fakten notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Die Haltung zum Projekt, das Mindset der verantwortlichen Personen, ist entscheidend. Sich über seine eigene Position zum geplanten Change klar zu werden, ist daher ein weiterer Schlüsselfaktor für gelingenden Change. Besteht Klarheit über die eigene Haltung, kann auch klar mit den Beteiligten auf Sach- und Beziehungsebene kommuniziert werden.

Trotz aller inhaltlicher und persönlicher Vorbereitung wird kaum ein Change-Projekt ohne Widerstand über die Bühne gehen. Jeder Mensch reagiert anders auf Veränderung. Manche begrüßen sie, andere fürchten sich davor. Unsere Aufgabe als Change-Begleiter:in ist es zu erkennen, wer wie auf die Veränderung reagiert und unsererseits professionell zu intervenieren. Die grundlegenden Reaktionen und Bedürfnisse von Menschen in Veränderungsprozessen zu erkennen und proaktiv in die Planung und Gestaltung der Veränderungsschritte einzubeziehen, ist eine weitere Schlüsselkompetenz und zugleich eine der anspruchsvollsten Aufgaben im Change-Prozess. Ein Fehler, und wir gefährden die Akzeptanz und in Folge die Unterstützung der betroffenen Person im weiteren Verlauf des Prozesses. Werden die Bedürfnisse der Beteiligten nicht wahrgenommen und angemessen berücksichtigt, wird schnell eine kritische Masse von „Widerständlern“ entstehen. Das Change-Projekt wird scheitern. Die Kerndisziplin für Change-Begleiter:innen ist hier Resonanz: Mitarbeiter:innen wollen gesehen, gehört, berührt werden, sie erwarten Antworten und nicht bloß Behandlungen, so der Soziologe Hartmut Rosa[3].

Letzten Endes ist ein Change-Projekt ein Projekt wie jedes andere auch. Das ist auf der Sachebene meist auch den Betroffenen schnell und einfach zu vermitteln. Anders verhält es sich mit den notwendigen Explorationen und Interventionen hinsichtlich des komplexen Sozialsystems „Firma“ oder „Abteilung“. Kenne ich die sozialen Logiken, nach denen der Bereich funktioniert? Hier muss ich als Change-Begleiter:in mit den Betroffenen auch auf der Beziehungsebene interagieren. Dazu braucht es eine stabile Vertrauensbasis. Vertrauen wird über Offenheit in Bezug auf Erfordernis des Change (das „Warum“), den Inhalt des Change (das „Was“) und das Vorgehen im Change-Prozess (das „Wie“) gebildet. Je glaubwürdiger die Change-Story ist und je glaubwürdiger wir sie erzählen, desto größer sind die Chancen auf eine gelingende Umsetzung. Doch Achtung − die Change-Story ist keine Märchenstunde. Verpacken Sie unangenehme Wahrheiten nicht in Watte. Menschen ertragen und verdienen Wahrheit und Klarheit.

Change-Begleitung stellt hohe Ansprüche an unsere methodische Kompetenz. Wir haben es mit einer komplexen Aufgabe zu tun. Als Change-Begleiter:in bin ich mit meiner ganzen Persönlichkeit der wesentliche Katalysator und Schlüsselfaktor für einen gelingenden Change-Prozess.

Zusammenfassend dargestellt ist das Ziel, das Spiel mit der linken Hand“ zu erlernen und zu vertiefen. Also den Umgang mit den sog. weichen Faktoren im Change-Prozess auf der Beziehungs- und Bedeutungsebene. Mit gängigen Methoden, wie z.B. der Kraftfeldanalyse, können wir unsere Intuition und persönliche Erfahrung (System 1) nutzen, um uns den Zugang zur Bedeutungsebene zu erarbeiten. Da die intuitive Erkenntnis stark von unserer Persönlichkeit geprägt ist, ist eine kritische Betrachtung der Ergebnisse unter den Aspekten:. „Auf welchen Kenntnissen, Erfahrungen und Gefühlen beruht meine Intuition?“ − „Was löst das Ergebnis der Analyse bei mir aus?“ − „Warum zeige ich genau diese Reaktion darauf?“ hilfreich. Insgesamt ein spannender und herausfordernder Ansatz, um unsere Persönlichkeit noch besser als Werkzeug in Change-Prozessen einsetzen zu können.

 


[1]Daniel Kahneman (2011): Schnelles Denken, Langsames Denken

[2] vgl. Gerd Gigerenzer (2008): Bauchentscheidungen – Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition

[3] Hartmut Rosa (2018): Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung

 

Autor:in

Trainer und Management-Berater

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