Passivität und Symbiose II

Agile Unternehmenskultur in Zeiten der Krise – Im Spannungsfeld zwischen Wunsch, Widerstand und Chance

Jutta Kreyenberg erläutert im zweiten Teil ihres Beitrags, wie es gelingt, Menschen in Krisen und Zeiten schneller Veränderungen zu Autonomie und Selbstorganisation zu bewegen. Sie zeigt auf, welche Impulse Führungskräfte, Coaches und Berater geben können, um eine agile Unternehmenskultur zu fördern.

Passivität und Symbiose

Im ersten Teil ist deutlich geworden, dass unbewusste symbiotische Bestrebungen und damit verbundene dysfunktionale Problemlösungsmuster, sog. passive Verhaltensweisen, sowohl in der Persönlichkeit der Beteiligten als auch in der Unternehmenskultur und systemischen Dynamik von Organisationen begründet sind. Diese Mechanismen zu verstehen, hilft Unternehmen, die sich auf den Weg zu einer selbstorganisierten, agilen Kultur gemacht haben. Hier steht im Mittelpunkt: Wie kann ich als Mitarbeiter:in, Führungskraft oder als agiler Coach die Organisationskultur Richtung Selbstorganisation, Augenhöhe und Agilität beeinflussen? Welche Interventionen (also professionelle, gezielte Kommunikation) sind hier hilfreich?

Zielbild Autonomie

Für die Beurteilung, ob es sich um die Beeinflussung der gesamten Unternehmenskultur oder die Entwicklung einzelner Mitarbeitenden handelt, ist zunächst einmal ein aktives konstruktives Zielbild hilfreich. Autonomie in der systemischen Transaktionsanalyse basiert auf psychischer Gesundheit. Dabei steht die (Wieder‑) Erlangung von drei Fähigkeiten im Mittelpunkt:

  1. Bewusstheit/Achtsamkeit: Hiermit ist die Fähigkeit gemeint, die Dinge auf ganz eigene originelle Art wahrzunehmen, mit offenen Sinnen aufmerksam durch die Welt zu gehen.
  2. Spontaneität/Flexibilität: Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, aus verschiedenen Verhaltensoptionen die für die Situation und die beteiligten Menschen sinnvollen und wirksamen zu wählen, dabei Probleme aktiv zu lösen, Limitationen zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen.
  3. Kontaktfähigkeit/Kooperation: Autonomie bedeutet eben nicht nur unabhängiges Wahrnehmen, Denken und Entscheiden, sondern auch das in Beziehung zu bringen, was relevant ist, eigene Wünsche und Gefühle offen mitzuteilen und Empathie für den anderen aufzubringen.

Autonomie ist gleichzusetzen mit Selbstorganisation, was sowohl eine Kultur auf Augenhöhe als auch selbstverantwortliche, selbststeuernde Mitarbeiter:innen erfordert. Führungskräften und Mitarbeiter:innen hilft es, symbiotische Fallen und passives Verhalten zu erkennen und entsprechende Blockaden aufzulösen.

Interventionen bei passivem Verhalten

Erkennt die Führungskraft oder der Coach ein passives, also dysfunktionales Problemlöseverhalten (siehe Beschreibungen im ersten Teil), so ist schon viel gewonnen. Im Umgang damit ist folgendes hilfreich:

  1. Konfrontation: In der Transaktionsanalyse sprechen wir hier von „loving confrontation“: etwas freundlich anzusprechen, das nicht problemlösend ist und persönlichen oder gemeinsamen Zielen entgegensteht.
  2. Bindung herstellen: Dysfunktional symbiotische Beziehungen sind eher gekennzeichnet durch viel unausgesprochene Erwartungen, gleichförmige Top-Down-/Bottom-Up-Interaktionen und mangelnde Weiterentwicklung. Gelingt es, auf allen Ebenen eine offene Beziehung und Kooperation aufzubauen, kann diese Blockade durchbrochen werden. Dafür sind jedoch Selbstreflexion und eine klare Kommunikation (Punkt 3 und 4) nötig.
  3. Eigene Versuchungen erkennen: Übernehme ich lieber den steuernden Part (sog. „übersichere“ oder überverantwortliche Rolle) oder den folgenden, wenig verantwortlichen Part (sog. „untersichere“ Rolle)? Was habe ich davon? Wie kann ich meine Tendenz ausgleichen?
  4. Einladungen spüren und intervenieren: Wenn ich in den „übersicheren“ Part der Symbiose eingeladen werde, kann es sein, dass es gut ist, für eine begrenzte Zeit die gewünschte Stütze, Hilfe und Orientierung zu geben. Dann ist es jedoch notwendig, die Dynamik offenzulegen, eine Absprache zu treffen und das Gegenüber schrittweise zur Selbständigkeit zu führen.
    Allerdings führt das oft zu Widerstand und Rebellion des Betroffenen – schließlich ist eine Symbiose, in der Mitdenken wenig gefordert wird und die Versorgung sichergestellt ist, auch recht gemütlich. Menschen, die zu Überverantwortung neigen, haben es dann recht schwer, sich abzugrenzen und Abstand zu behalten.
    Wenn ich andererseits in den „untersicheren“ Part der Symbiose eingeladen werde, hilft es, sich der eigenen Verantwortung zu besinnen, sich selbst zu stabilisieren, sich vor Übergriffen zu schützen und auch hier eine klare Absprache über Verantwortungsbereiche zu treffen.
Interventionen bei symbiotischen Kulturneigungen

All die oben genannten Interventionen und Vorgehensweisen fördern eine Kultur, in der die für die jeweiligen Rollen und Aufgaben notwendige Selbstverantwortung eingenommen werden kann. Diese Interventionen finden auf der Interaktionsebene statt. Darüber hinaus können Personalinstrumente zur Förderung von Autonomie und Selbstverantwortung eingesetzt werden, wie z.B.:

  • die Vision einer guten Fehlerkultur, in der nicht Anpassung und Angst, sondern das Lernen aus Fehlern im Mittelpunkt steht,
  • die Förderung von Selbständigkeit durch klare Delegation von Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen,
  • konstruktive Führungsleitlinien, gelebte Vorbilder und eine sinnvolle Führungskräfteentwicklung,
  • Klärung von Konflikten in agilen Teams und Teamentwicklung,
  • Installation agiler Prinzipien und Tools.

Darüber hinaus ist eine systematische Entwicklung der Organisation (Struktur – Kultur – Strategie) durch ein funktionierendes Managementteam ein wesentlicher Pfeiler der Einflussnahme auf die Unternehmenskultur.

Autor:in

Managementberaterin und Lehrtrainerin

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